50 Jahre nach seinem ersten Erscheinen erlebt das Buch „Der Jung, der seinen Geburtstag vergaß“, von Rudolf Frank seine zweite Auflage. Von der damaligen Kritik wurde es hochgelobt, darauf 1933 wegen seiner pazifischen Haltung von den Nazi öffentlich verbrannt, zusammen mit vielen anderen, sogenannten entarteten Werken der deutschen Literaur. Und jetzt, wo die bedrohliche internationale Lage eine neue Friedensbewegung auf den Plan gerufen hat, halten wir es wieder in Händen. Tatsächlich: Auch Bücher haben ihre Schicksale!
Der Vergleich mit Remarques „Im Westen nichts Neues“ drängt sich immer noch auf. Das Bild des Krieges ist ähnlich realistisch, ebenfalls aus der Sicht der Soldaten, die mit Leib und Seele den Schrecken des Mordens ausgesetzt sind. Remarque arbeitete mehr mit knappen Dialogen; Franks stärke sind die intensivsten Schilderungen.
Ein vierzehnjähriger deutschsprachiger Polenjunge gerät in seinem verlassenen zerschossenen Dorf in den Sog der deutschen Armee. Er wird der Liebling der Fußartilleristen, denn er ist ein findiger Kopf. Retter und Glücksbringer in auswegloserscheinenden Situationen. Obwohl er oft an vorderster Front steht und unglaublich viel vollbringt, wird er nicht als Held dargestellt. Am größten ist er am Schluß, wo er vor der Einbürgerung und Ehrung durch den Kaiser selbst, und bevor er dem Volk als begeisterter Jungsoldat angepriesen werden kann, verschwindet und unauffindbar bleibt. Seine letzte tat ist also die beispielhafte Verweigerung.
Auf jeder Seite wird die Sinnlosigkeit des Krieges angeprangert: Er bringt nur Leiden und Tod, zerreißt die Familien, zerstört alles Erreichte. Zu spät begreifen die feindlichen Soldaten im Lazarett, wozu man sie mißbraucht hat. Nicht einmal ihre kameradschaft wird verherrlicht; dafür attackiert Frank die Herrenmenschenarroganz einiger Offiziere, welche Vorläufer der Nazizeit sind.
Es werden wohl Ereignisse des ersten Weltkriegs erzählt; im Menschlichen ist die Distanz zu damals jedoch sehr klein. Speziell Buben werden von diesem Buch gepackt, den es gehört zu den Werkeb der Antikriegsliteratur für junge Menschen. Der Anhang ist für Erwachsene gedacht. Hermann Vinke gibt er Gespräch wieder, das er mit Walter Mehring, wenige Wochen vor dessen Tod, geführt hat. In Stichworten rollt das lange, bewegte leben Rudolf Franks ab, der es in der Schweiz als Flüchtling nicht leicht hatte, besonders als er Arbeit suchte oder publizieren wollte. Ein paar Kritiken beweisen, wie gut man 1931/32 die Zeichen der Zeit verstand.
Damit ist die Neuausgabe auch als zeitgeschichtliches Dokument abgerundet.
Rudolf Frank, 1886 in Mainz geboren und dort aufgewachsen, entstammte einer alteingesessenen deutsch-jüdischen Familie. 1936 emigrierte er nach Österreich, 1938 in die Schweiz. Die Widrigkeit der Zeitumstände zwang ihn zur Arbeit in den verschiedensten künstlerischen Bereichen: er wirkte als Schauspieler und Regisseur, als Roman- und Hörspielautor, als Theaterkritiker und Feuilletonist, als Rezitator, Drehbuchautor und Übersetzter. Seine Autobiografie "Spielzeit meines Lebens" (1960) gibt hiervon ein eindrucksvolles Bild. In dwer Nachkriegszeit stellte Frank einige Verbindungen zu seiner Heimatstadt Mainz wieder her. Er starb 1979 in Basel.
„Nach General v. Clausewitz ist der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Für mich war er eine Fortsetzung des Theaters mit minderwertigen, grausamen, idiotischen Mitteln. Zunächst betrachtete ich alles, was sich beim Drill, beim Transport, auf dem Kasernenhof und an der Gulaschkanone abspielte, als Studienobjekt für künftige lnszenierungen von Soldatenstücken.“
„Meine militärischen Erlebnisse habe ich 1930 zur Warnung für die Junge Generation in dem Antikriegsroman "Der Schädel des Negerhäuptlings Makaua" zusammengefaßt“.
„lch aber erklärte an diesem 10. Mai 1918 dem deutschen Militarismus... meinen kalten Privatkrieg“.
„Daheim im Bett zu sterben, wurde gar bald in unseren Kreisen zur Seltenheit. Meinem Vater war dies Glück nicht vergönnt."
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