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2014 david safier

Er setzt auf das Gespür junger Leute

BUXTEHUDE. Im Herbst kommt der Schriftsteller nach Buxtehude – Das Preisgeld fließt in seine „Gutes-Karma Stiftung“.

Als ihn am späten Dienstagabend die frohe Botschaft erreichte, als Stadtbibliothekschefin Ulrike Mensching ihm mitteilte, dass ihn die paritätisch besetzte Jury für seinen Roman „28 Tage lang“ auf Platz eins gehoben und er den 44. Buxtehuder Bullen gewonnen hat, saß David Safier mit seiner Frau und Freunden beim Italiener in Potsdam und war „wie vom Donner“ gerührt. Im wahren Sinne des Wortes, denn just in dem Moment als sein Telefon klingelte, tobte draußen vor der Tür ein schweres Gewitter.

„Zwischen Blitz und Donner habe ich mich unglaublich gefreut“, sagt der mit seiner Familie in Bremen lebende Schriftsteller. „Im Rowohlt-Verlag wurde am nächsten Morgen auf den Preis angestoßen. Das Team hat mir ein Foto geschickt von lauter Sekt trinkenden fröhlichen Menschen.“

Mit „28 Tage lang“ hat David Safier einen unter die Haut gehenden Roman geschrieben, der die Leser und Leserinnen mit einem der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte konfrontiert. David Safier nimmt diese Leser mit ins Warschauer Ghetto und macht sie mit der 16-jährigen Mira bekannt, deren Familie 1943 im Lager umkommt. Trotzdem oder gerade deswegen wagt Mira den Aufstand, dem sich viele polnische Juden anschließen. 28 Tage lang können sie den SS-Schergen Widerstand bieten.

Es ist immer wieder faszinierend, dass insbesondere junge Menschen des Themas Nationalsozialismus nicht überdrüssig sind. David Safier erklärt sich das so: „Die Jugendlichen spüren, dass sie das etwas angeht. Zum einen wissen sie, dass es auch in unserer Gesellschaft Rassismus und Diskriminierung gibt und die Welt nicht so ein sicherer Ort ist. Zum anderen spüren sie unterbewusst vielleicht, dass es auch etwas mit ihrer Familiengeschichte zu tun hat. In den meisten Familien gibt es Menschen in der Großelterngeneration, die vom Krieg in der einen oder anderen Form traumatisiert worden sind. Das schlägt sich auch in der Erziehung der folgenden Generationen nieder.“ Danach gefragt, ob sein Roman auch etwas mit seiner eigenen Biografie zu tun habe, David Safier ist der Sohn eines österreichischen Juden, antwortet der Autor: „Mein Vater wurde im Holocaust verfolgt, meine Großeltern wurden umgebracht. Von daher gibt es dort einen Bezug. Aber es geht eben nicht nur um das Vergangene. An der Geschichte des Warschauer Ghettos kann man das Schlimmste ablesen, wozu Menschen fähig sind – aber auch das Großartigste. Und das kann Mahnung und ebenso Inspiration für die Gegenwart sein.“ Was möchte Safier jungen Menschen mit auf den Weg geben? „Ich glaube fest daran, dass junge Menschen ihre eigenen Schlüsse ziehen können. Zwar wird in meinem Roman die Frage gestellt ,Was für ein Mensch willst du sein?’, aber als Antwort hält das Buch viele verschiedene Angebote bereit. Die Jugendlichen finden da für sich das, was ihnen selber nahe ist. Sie brauchen keinen moralischen Fingerzeig, sondern nur eine Landkarte.“

Im Herbst kommt der 49-jährige Schriftsteller zur Preisverleihung nach Buxtehude. Den Bullen nimmt er mit nach Hause, aber die 5000 Euro Preisgeld steckt David Safier in die von ihm gegründete „Gutes-Karma-Stiftung“. Mit deren Hilfe wurde in Nepal eine Schule gebaut, eine weitere in Ecuador wurde unterstützt und ein Anti-Sklaverei-Projekt in Nepal eingerichtet. „Nach dem schrecklichen Erdbeben dort fließen Gelder in die Soforthilfe. Da arbeiten wir mit Plan International zusammen, und außerdem wollen wir in Zukunft dem Kinderhospiz in Wilhelmshaven finanziellen Rückhalt geben.“

Was die engagierten Jugendlichen aus der Klasse 7e vom Gymnasium Süd am Abend der Preisträgerermittlung aufs Parkett gelegt haben, verdient noch einmal ein ganz besonderes Dankeschön. Als Buch-Botschafter versüßten die Mädchen und Jungen den Besuchern und Besucherinnen die Wartezeit bis zum Ergebnis, sorgten mit ihren eindringlichen Beiträgen zum Teil für Gänsehaut und dafür, dass der Abend im Stieglitzhaus zu einer runden Sache wurde. Bei der Wahl der Mittel hatten die Kids ihrer Kreativität freien Lauf gelassen und dem Auditorium auf berührende und aufrüttelnde Weise die Inhalte der acht Bücher näher gebracht, die die Endrunde erreicht hatten. Mit Book-Slams, Bildern, Filmen und Interviews präsentierten die jungen Leute eine eindrucksvolle Inszenierung. (hag)

Buxehuder Tageblatt, 10. Juni 2015 (Autor: Hannelore Aldag)