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Gute Nacht, Zucker-
püppchen

Heidi Glade-Hassenmüller

Die Geschichte Gabys beginnt, als Gaby 6 Jahre alt ist, und endet, als sie 18 wird. Es ist Nachkriegszeit, es gibt zuwenig zu essen, überall Trümmer und Ruinen. Gaby lebt mit ihrer Mutter und ihrem Bruder Achim zusammen: der Vater ist im Krieg gefallen.

Eines Tages klingelt es: Ein Kriegskamerad des Vaters steht vor der Tür. Da er keine Unterkunft hat, bleibt er, lebt dann mit der Mutter zusammen; sie heiraten. Aus Achim, den er fur verweichlicht hält, will er einen „harten Mann" machen. Doch Gaby ist sein geliebtes Zuckerpüppchen: sie schmusen gerne zusammen. Eines Tages erzählt er ihr beim Schmusen eine Geschichte - und es bleibt nicht beim Schmusen. Seitdem hat Gaby Angst. Dies ist die erschütternde Geschichte eines mißbrauchten Kindes, einer zerstörten Kindheit und Jugend. Als Gaby in die Pubertät kommt, will der Stiefvater mehr und holt es sich mit Gewalt.

Das Schlimmste: Gaby kann mit niemandem darüber sprechen. Ganz besonders „Mutti“ darf nichts erfahren. Gaby glaubt vielmehr, mitschuldig zu sein. „Unkeusches“ zu tun. Ein Fluchtversuch scheitert, ebenso ein Selbstmordversuch. Gabys erste Liebe wird auf brutale Weise vom Stiefvater unterbunden. Wiederholt schlägt er sie zusammen, um seinen Willen durchzusetzen.

Er vergreitt sich auch an Gabys wenigen Freundinnen. Gaby, intelligent und Willensstark, will überleben. Mit 18 gelingt es ihr. sich auf eigene Füße zu stellen. Sie verläßt das Elternhaus nach einem dramatischen Befreiungsakt.

Diese Geschichte ist wahr; die Autorin hat sie durchlebt und durchlitten. Mit der Veröffentlichung will sie mithelfen, ein Tabu zu brechenl, das noch immer besteht: inzest wird in den meisten Fallen von allen Familienmitgliedern verheimlicht. - Die Berliner Soziologin Barbara Kavemann untersucht in ihrem Nachwort psychologische und gesellschaftliche Hintergründe und gibt Hilfestellung fur Betroffene und Angehörige.

BULLEvard Standort

Adresse: Bahnhofstr. 45


Diese Geschichte erschien 1988 als mehrteilige Serie im STERN und erzielte große Resonanz.

Die erschütternde Geschichte Gabys, die viele Jahre hindurch von ihrem Stiefvater sexuell mißbraucht wurde. Ein Buch für Jugendliche und Erwachsene, Angehörige und Lehrer, das bewußtmachen und aufklären will. Mit einem Nachwort von Barbara Kavemann.

Heidi Glade-Hassenmüller wurde 1941 in Hamburg geboren. Nach der Mittleren Reife machte sie eine Lehre zum Reedereikaufmann. - Sie ist Mutter von vier Kindern und wohnt seit 15 Jahren in den Niederlanden. Von dort aus hat sie Journalistik und Belletristik studiert. Sie schreibt regelmäßig für verschiedene Tageszeitungen und Zeitschriften im ln- und Ausland und hat bereits mehrere Jugendbücher publiziert.


Das Nachwort von:

BARBARA KAVEMAN, geboren 1949, Diplomsoziologin, arbeitet seit 1973 in verschiedenen Berliner Frauenprojekten. Seit 1983 ist ein Schwerpunkt ihrer Tätigkeit die Forschungsarbeit zum Thema „sexuelle Gewalt gegen Mädchen“. Sie hat mit Ingrid Lohstöter zusammen das Buch „Väter als Täter“ (1984) veröffentlicht. Zur Zeit ist sie tätig in der wissenschaftlichen Begleitung der Modellberatungsstelle „Wildwasser“ an der Technischen Universität Berlin.


Die Autorin schreibt zu diesem Buch:

„Es ist die Geschichte meiner Jugend, die ich nicht hatte. Ich brauchte fast dreißig Jahre, um mit Hilfe einer Therapie meine Schuld zu relativieren, Unaussprechliches aufzuschreiben. Um das Kind Gaby nicht mehr zu verabscheuen, sondern als Erwachsene mit ihm mitzuleiden. Ich habe Zuckerpüppchen für all die Mädchen geschrieben, die in der gleichen scheinbar ausweglosen Situation sind. Durchbrecht das Schweigen und ruft um Hilfe. Immer wieder, bis man euch hört. Und die Mutter bitte ich: Schaut nicht weg, schützt eure Tochter. Inzest wird aus der Macht der Männer über Frauen geboren. Helft, die Macht zu durchbrechen und das Tabu besprechbar zu machen.“
DlE WELT, 10. Oktober 1989

Bittere Anklage:

Der Leser sei vorgewarnt: Wer hinter dem trügerischen Titel „Gute Nacht, Zuckerpüppchen“ von Heidi-Hassenmüller ein fröhliches Jungmädchenbuch vermutet. wird schon auf den ersten Seiten eines Besseren belehrt. Denn dies ist eine bittere Anklage gegen all jene, die im sexuellen Mißbrauch minderjähriger Mädchen durch Väter, Onkel oder Bekannte nur ein läßliches Vergehen sehen Ein Lob der Autorin, die ihre eigenen leidvollen Erfahrungen ohne Larmoyanz schildert und uns allen damit einen Anstoß gibt, dieses ebenso brisante wie peinliche Thema offen zu diskutieren. Besonders hervorzuheben ist der Takt, mit welchem auch die intimsten Szenen beschrieben werden.

Die Autorin

Geboren 1941 in Hamburg, Mittlere Reife 1957. Prüfung zum Reederei-Kaufmann 1959.

Verheiratet. Mutter von vier Kindern, seit 1974 wohnhaft in den Niederlanden. 1984 Journalistik- und Belletristik-Studium begonnen und 1987 abgeschlossen.

Erste Buchveröffentlichung 1985 (,.Jochen zieht nach Holland". Jugend u. Volk).

In der Folgezeit verschiedene Kinder- und Jugendbücher publiziert sowie ein TV-Stück für ältere Menschen im Rahmen eines Wettbewerbs (SDF „Der Wanderpokal").

ln der Vergangenheit verschiedene Kinderbücher ubersetzt und für Zeitungen und Zeitschriften im ln» und Ausland geschrieben. Jetzt in erster Linie Autorin engagierter Kinder- und Jugendbücher.


Die Autorin über sich:

Als ich 1984 an meinem ersten Buch begann. wollte ich zeigen, wie deutsche Kinder in den Niederlanden noch immer diskriminiert werden und warum Kinder überhaupt diskriminieren. ln den folgenden Büchern war es mein Anliegen aufzuzeichnen, wie Kinder oderJugendliche auf Lieblosigkeit Gleichgültigkeit oder Gedankenlosigkeit reagieren. Ich möchte Geschichten schreiben, die Kindern und Erwachsenen „unter die Hautgehen" und die sie veranlassen. Über Zusammenhange nachzudenken. ln der Zwischenzeit engagierte ich mich für Frauenfragen und schrieb monatlich eine Kolumne für eine holländische Zeitschrift. die zum Teil in dern Buch „Zeg's Scheveningen" zusammengefaßt sind. ln meinem TV-Stück über ältere Menschen „Der Wanderpokal" wollte ich auf humoristische Art und Weise zeigen, daß auch unsere Mitbürger im Pensionsalter mitzählen.

Das Buch „Gute Nacht. Zuckerpüppchen" wollte ich seit meiner Jugend schreiben, aber erst. als ich das ..Handwerk" Schreiben ein wenig gelernt hatte, war es mir möglich, die Geschichte der Gaby Mangold, meine Geschichte, so aufzuschreıben. daß auch dem nicht betroftenen Leser die Manipulation und die aussichtslose Situation bewußt wird. Inzest ist die Macht der Erwachsenen und die Ohnmacht der Kinder.
Ich will mit meinem Buch dieses Verbrechen aus der Tabu-Sphäre holen und die Opfer ermutigen: „Ruft um Hilfe. Immer wieder, bis man euch hört!"